Corona verändert alles

 

Restaurants und Hotels müssen schließen, Produzenten haben Absatzschwierigkeiten und Erntehelfer sind knapp: Die Corona-Pandemie stellt alle vor riesige Herausforderungen. Die Lage ist ernst, und etliche FEINHEIMISCH-Mitglieder haben Existenzängste. Dennoch: Viele finden auch kreative Möglichkeiten, um die Krise zu überstehen. Wie gehen zum Beispiel das Hotel und Restaurant Seeblick auf Amrum, die lille Brauerei in Kiel und das Gut Warleberg mit der Situation um? Wir haben uns umgehört.

Verzweifeln ist keine Lösung. Absolut nicht. Obwohl: Heute ist ein schlechter Tag, meint Gunnar Hesse vom Seeblick auf Amrum. Gestern Abend (15. April) wurde bekanntgegeben, dass der gesamte Tourismus in Schleswig-Holstein weiterhin lahmgelegt ist, dass kein einziges Restaurant oder Hotel geöffnet werden darf. „Wir haben heute also mal wieder Besprechungen, wie es weitergehen soll. Wir haben alle die Hosen voll“, seufzt der Geschäftsführer, der das Hotel und Restaurant zusammen mit seiner Ex-Frau betreibt. Mitarbeiter im Betrieb: 49. Monatliche Personalkosten: rund 75.000 Euro. „Wir haben 30.000 Euro Soforthilfe beantragt und das Geld auch sofort bekommen. Nun haben wir zusätzlich einen Kredit über eine halbe Million beantragt.“ Diesen Kredit müssten sie dann erst in vier Jahren beginnen zurückzuzahlen.

Seeblick: „Wir wollen das Team zusammenhalten“

Wichtig ist dem Seeblick, die Mitarbeiter bei der Stange zu halten. Sie bekommen Kurzarbeitergeld und arbeiten reduziert weiter. Es soll niemand verprellt werden. Manche kommen auch aus Sibirien oder der Ukraine. „Die können und wollen wir nicht nach Hause schicken.“ Auch die sechs Azubis sind noch da, bekommen weiter volles Geld – und streichen zurzeit Zäune an. Wenn es irgendwann wieder losgeht, wenn auch die Urlauber auf die Insel Amrum zurückkommen dürfen und das Seeblick wieder viele Gäste hat, dann ist hoffentlich noch das gesamte Team da. „Ich versuche immer, alle zu motivieren“, sagt der 43 Jahre alte Familienvater. Heute fällt es ihm allerdings schwer. „Es gibt auch so viel Irrsinn in der Corona-Krise. Ein Beispiel: Für unsere 120 Betten muss ich weiterhin die Mietwäsche zahlen.“ Das ist wirklich Irrsinn – zumindest für den Betroffenen.

Riesige Umsatzeinbrüche in der Branche

Die Corona-Pandemie trifft Schleswig-Holstein extrem hart, denn das Land lebt vom Tourismus. Nehmen wir das Ostergeschäft: Nach Angaben der Tourismus Agentur Schleswig-Holstein verzeichnet das Land in den Ostermonaten März und April mehr als 4,5 Millionen Übernachtungen. Und auch der Hotel- und Gaststättenverband liefert Zahlen, die nachdenklich machen: Der jährliche touristische Umsatz beträgt 5,2 Milliarden Euro brutto. „Wir befürchten, dass bis zu rund 75 Prozent unserer 5.200 Betriebe mit mehr als 80.000 Beschäftigten betroffen sind“, sagt Dehoga-Geschäftsführer Stefan Scholtis. Er ist sauer über das Krisenmanagement der Bundesregierung – auch wenn Hilfsgelder schnell und unbürokratisch fließen. Die Landesregierung hatte ihr Hilfspaket zu Ostern nochmals um 120 auf 620 Millionen Euro aufgestockt und plant, das Gesamtprogramm auf eine Milliarde Euro auszudehnen.

Gut Warleberg: Welche Erntehelfer kommen?

Ein Blick zum Warleberger Hof in Neuwittenbek. Hier müssen jetzt 16 Hektar Erdbeeren geerntet werden. Doch dieses Jahr ist alles anders. „Ich frage mich natürlich: Habe ich nachher wirklich genügend Kräfte? Und kann ich alles ernten“, sagt Frederik Kerlen, Inhaber der Warleberger Mühle. Zurzeit weiß er noch gar nicht, wer wann kommt (Stand 16. April). „Es haben sich auch ein paar Gastronomen gemeldet, die helfen wollten, aber ein richtig ernsthaftes Interesse konnte ich dann doch nicht erkennen.“ Erdbeeren zu ernten sei ja auch keine Sache, die man mal so eben für zwei, drei Stunden macht. „Damit ist mir leider nicht geholfen“, sagt Kerlen.

Die Helfer müssen eingearbeitet werden, müssen sich anfangs auch an Muskelschmerzen gewöhnen und im Idealfall zweieinhalb bis drei Monate auf den Feldern arbeiten. 30 bis 40 Helfer sind notwendig. Kerlen hofft auf seinen zuverlässigen Personalvermittler, der wieder Kräfte aus dem Ausland, zum Beispiel aus Polen und Rumänien, holt. „Eine gewisse Belastung ist das schon alles. Es herrscht überall Unsicherheit. Und was heute gilt, gilt morgen schon nicht mehr.“

Lille Brauerei: Solidarität in schweren Stunden

Auch bei der Brauerei lille ist durch das gefährliche Coronavirus alles anders. Die Geschäftsführer Max Kühl und Florian Scheske mussten die 30 Aushilfskräfte überwiegend nach Hause schicken, die fünf festangestellten Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Der Schankraum ist dicht, und das trifft natürlich mitten ins Herz. Aber die Kieler Brauerei hat in der kurzen Zeit unglaublich viel auf die Beine gestellt. Da gibt es eine „Rettungsbox“ unter dem Motto: „Jetzt hilft nur noch Schnaps“. „Dieser neue Schnaps ist ein hopfengebrauter Bierbrand“, erzählt Max Kühl. Die Kieler fanden die Idee super und viele kauften die Box. Zweites Projekt: ein Drive-In. Autofahrer können immer samstags von 11 bis 16 Uhr aus dem Auto heraus ordern und bekommen die Bierkiste hinten in den Kofferraum gestellt.

Stark auch die Idee, viele verschiedene Kieler Gastronomen auf dem Etikett der Flaschen abzudrucken. Die Botschaft: „Unterstützt die Kieler Gastronomie und trinkt zuhause ein Bierchen mit eurem Lieblingsladen.“ Mitte April sind laut Max Kühl schon 66 Gastronomen dabei. Die Hälfte der Einnahmen fließt dann in einen Gemeinschaftstopf. Eine Idee, die auch die Gastgeber in St. Peter-Ording überzeugt hat. Sie haben die Aktion „Keep on Sankt Peter Ording“ ins Leben gerufen – das passende Bier dazu sowie das entsprechende Flaschendesign kommen von lille. 10 Euro pro Sixpack kommen Kulturflecken im Ort zugute. Lille ist übrigens auch der Betrieb, der die Hilfsaktion „Kiel hilft Kiel“ ins Leben gerufen hat. Auf dieser Plattform sind lokale Anbieter vernetzt. „Solidarität ist jetzt einfach wichtig“, sagt Kühl – und wer ihn und seinen Partner Florian Scheske kennt, der glaubt das auf’s Wort.

Kreativ: John’s Burgers und Brötzmann in Kiel

Viele weitere Betriebe zeigen sich durchaus erfinderisch. John’s Burgers in Kiel zum Beispiel verkauft sehr erfolgreich online. Die Kunden bestellen über einen Link, bekommen eine Nachricht für die Abholzeit und holen sich dann das Menü kontaktlos ab. Nach Angaben der FEINHEIMISCH-Geschäftsstelle brauchte John sogar zusätzliches Personal. Und beim Kieler Obst- und Gemüsehandel Brötzmann wurde ein regionaler Abhol- und Lieferdienst eingerichtet. Verschiedene „Büddel“ beispielsweise mit Früchten, Kräutern und heimischen Biowaren werden zusammengestellt und dem Kunden vor die Haustür gestellt. Corona öffnet also durchaus auch neue Türen und lässt Raum für Kreativität.