Die Suche nach regionaler Küche (Teil 1) Ein Kommentar von Wolfgang Götze

Sommerzeit – Reisezeit: Nicht Wenige begeben sich an ihren Urlaubszielen auf die Suche nach der regionalen Küche oder zumindest dem, was sie dafür halten. Das Angebot scheint inzwischen groß zu sein. Kaum ein Restaurantbetreiber mag noch auf das Thema „Regionale Küche“ in seiner Speisekarte verzichten: Wiener Schnitzel, Steak-Variationen mit verschiedenen Beilagen, Wildkräutersalat mit fantasievollen Toppings, Rinder- oder Kalbsleber nach Berliner Art. Eigentlich könnte man hier auch die angeblich in Berlin erfundene Currywurst einreihen.

 

Schaut man sich diese Gerichte der „Regionalen Küche“ an, wird klar, dass es bei den Hauptzutaten auf die regionale Herkunft ankommt. Das ist in der Tat das Grundelement dieser Küchenrichtung, zudem entspricht es der Notwendigkeit eines nachhaltigen Lebensstils.

 

Zweites Grundelement einer Regionalküche sollten spezifische Aromen sein, die sich aus den in der Region hergestellten Lebensmitteln ergeben. Diese Aromen sind das Resultat der speziellen örtlichen Gegebenheiten wie Bodenart und -zusammensetzung, Klima, Sonneneinstrahlung, Regenmenge, Windverhältnisse – also die gesamte Bandbreite der ökologischen Rahmenbedingungen wie auch die angebauten Pflanzenarten selbst.

Allerdings stehen wir heutzutage vor einem Problem. In der Vergangenheit haben sich den ökologischen Bedingungen angepasste Gemüsesorten und Tierrassen entwickelt, die sich auf relativ kleine Gebiete beschränkten. Das Saatgut oder auch die Tierrassen wurden oft im Rahmen des Eigenbedarfs über die Zeit erhalten. An seine Stelle sind inzwischen Produkte der industriellen Erzeugung getreten und haben so die gebietstypischen Aromen verdrängt. Die Ernährungsindustrie stellt natürlich bestimmte Qualitätsanforderungen an ihre Produkte. Sie sind in erster Linie technisch-kommerzieller Natur wie Ertragsmenge, Verarbeitungsfähigkeit, Lagerfähigkeit, Optik, möglichst ganzjährige Lieferbarkeit, Resistenz gegenüber Krankheiten und Schädlingen. Aromatiefe spielt nur eine nachgeordnete Rolle. Hauptsache, das Produkt entspricht den Geschmacksansprüchen der „Masse“.

Die „Wiederbelebung“ der regionalen Küche verlangt geradezu nach einer verstärkten Erzeugung „historischer Sorten“. Sie werden nur noch von wenigen Anbauspezialisten gepflegt und sind meist in geringer Menge verfügbar. Köche, die das Glück haben, solche Produkte einsetzen zu können, bewegen sich leider am Rand der Legalität. Hier kommt das Bundessortenamt ins Spiel. Pflanzliche Lebensmittel müssen nämlich eine Zulassung besitzen, um überhaupt „in Verkehr gebracht“ werden zu dürfen. Historische Sorten besitzen diese in der Regel nicht und das Zulassungsverfahren ist kompliziert und kostenintensiv. Abhilfe könnte nur eine verbraucherfreundliche Reform des Verfahrens schaffen!

Das dritte Grundelement einer regionalen Küche ist ein Höchstmaß an Saisonalität. Sie ergibt sich aus dem Charakter der oben erwähnten Produkte. Wegen der früher eingeschränkten Lagerfähigkeit – eine Ausnahme machten getrocknete Hülsenfrüchte und Getreide – gelangten Gemüse und Früchte oft für wenige Wochen in die Küche. Dies hatte den Vorteil, dass sie zum jeweiligen Erntezeitpunkt optimal ausgereift und ihre Aromen voll entfaltet waren. Auch konnten sie zu unterschiedlichen Reifephasen mit differenzierten Aromen-Mustern in den ursprünglich regionalen Rezepturen verwendet werden.