Wünsche an den Präsidenten
Ein Kommentar von Wolfgang Götze
Politischer Sprecher des FEINHEIMISCH-Vorstandes
„… überlegt und bewusst Lebensmittel einkaufen……am besten direkt bei Bauern und regionalen Erzeugern. Das stärkt die heimische Landwirtschaft und ist ein Beitrag zum Klimaschutz“. Wir kennen diese Worte von Verbänden, Initiativen und diversen Akteuren seit langem. Doch ist da auch Neues: Gefallen sind sie in einem Interview, das die „Rheinische Post“ zur Jahreswende mit Joachim Rukwied, dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, geführt hat. Ist der Funktionär doch in der Vergangenheit eher als Lobbyist der stark exportorientierten Agrar- und der Lebensmittelindustrie in Erscheinung getreten.
Sind die neuen Worte aus seinem Mund also ein Grund zur Freude und als Anzeichen für eine Trendwende in der politischen Verbandsarbeit zu verstehen? Beim genauen Hinhören mischen sich dann doch einige Missklänge unter die präsidiale Neujahrsbotschaft. Sie richtet sich ausschließlich an die Gruppe der privaten Verbraucherinnen und Verbraucher – also die Endverbraucher. Allein sie sollen Kaufentscheidungen für heimische Produkte treffen und werden so für das Wohl und Wehe der heimischen Landwirtschaft verantwortlich gemacht. Von eigenen Beiträgen oder anderen Verantwortlichkeiten entlang der Lebensmittel-Wertschöpfungskette ist leider (noch?) nichts zu hören.
Ein kurzer Blick in die jüngste Vergangenheit: Wünschenswert wäre es gewesen, wenn der Deutsche Bauernverband schon bei den Verhandlungen zur Neufassung des EU-Programms für eine „Gemeinsame Agrarpolitik“ (GAP) die jetzt verlautbarten Gedanken deutlich vertreten hätte. Viel Zeit und mühselige Nachsteuerungen wären erspart geblieben.
Doch das ist Schnee von gestern – jetzt gilt es nach vorn zu schauen. Auf der Wunschliste der Verbraucherinnen und Verbraucher stehen zahlreiche und nicht leicht zu erfüllende Punkte:
– Vordringlich sollte der Deutsche Bauernverband eigene und tragfähige Konzepte zur Lösung der unbestreitbar vorhandenen Probleme erarbeiten.
– Dazu gehört auch eine verstärkte selbstkritische Analyse des eigenen Handelns und eine vertiefte Folgenabschätzung ergriffener Aktivitäten.
– Er sollte größere Einsicht in die durch die Agrarwirtschaft mitbeeinflussten Belastungen in Umwelt, Natur und Klima entwickeln statt sich reflexartig in der
Opferrolle zu sehen.
– Er sollte mehr Gestaltungswillen zeigen und eine aktivere Rolle bei der Entwicklung von Zukunftsstrategien für die Landwirtschaft besonders angesichts der
rasant wachsenden Probleme des Klimawandels und ökologischen Veränderungen wie Wasserknappheit oder Arten- und Biodiversität einnehmen.
– Er sollte eine deutlichere Kraft gegenüber den Konkurrenten um die knapp werdenden Flächen wie Straßen- und Wohnungsbau, erneuerbare Energien und
Bodenspekulation entwickeln.
– Er sollte Belange klein- und mittelständischer bäuerlicher Betriebe und Lebensmittelproduzenten stärker in der Verbandsarbeit berücksichtigen und das hier
vorhandene fortschrittliche und kreative Potential nutzen.
– Er sollte den euphorischen Tanz um das Goldene Kalb „Digitalisierung“ kritisch begleiten, auch um klein- und mittelständische Betriebe durch überzogene
Investitionen nicht in neue finanzielle Abhängigkeiten zu treiben.
– Er sollte gemeinsam mit den Akteuren entlang der Lebensmittel-Wertschöpfungskette ein Konzept für eine transparente und faire Preisfindung und -gestaltung
aufbauen.
– Dem Deutschen Bauernverband fehlt bisher insgesamt die Entwicklung einer klaren und überzeugenden Kommunikationsstrategie für Verbraucherinnen und
Verbraucher.
In diesem und in den Folgejahren liegen zahlreiche und schwerwiegende Probleme auf dem Weg, die nur in gemeinsamer Zusammenarbeit bewältigt werden können. Aber am Ende des Weges könnte so die ersehnte Wertschätzung für die Leistungen der Landwirtschaft liegen.