Wie ein Orkan rüttelt das Corona-Virus unser Leben durcheinander: nicht voraussagbar und in seinen filigranen Auswirkungen schwer kalkulierbar. Nicht voraussehbar? Diese Frage sei nach SARS (2003) und MERS (2012) und den seit Langem vorliegenden naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Populationsökologie zurückgestellt. Sicher ist, die Pandemie lässt uns Menschen in dem Glauben an das „alles Beherrschbare“ erzittern. Die Natur erinnert uns an ihre Existenz: „Ich bin noch da. Jederzeit kann ich ähnliches schaffen oder auf andere Weise reagieren!“
Voraussehbar waren allerdings die Reaktionen: Die notwendigen Einschränkungen der Kontakte haben Plätze und öffentlichen Räume vereinsamen lassen. Wie weggefegt sind hier die regelmäßigen Demonstrationen und Aktionen der Klimaschützer. In den Medien sind die Berichterstattungen über den fortschreitenden Klimawandel weitgehend verschwunden – kein Thema mehr?
Das wäre ein Irrtum. Im Gegensatz zu dem quasi über Nacht über uns hereingebrochenen Corona-Virus, der jeden Einzelnen von uns persönlich und direkt bedroht, ist der Klimawandel ein schleichender Prozess. Nicht erst mit der beginnenden Industrialisierung im 18. Jahrhundert beeinflusst die menschliche Population ihre natürliche Umwelt. Denken wir nur an die Selbstausrottung der indigenen Bevölkerung auf den Osterinseln vor etlichen Jahrhunderten.
Die laufenden Umweltzerstörungen und die damit einhergehenden Klimaänderungen zu erkennen, fällt dem Menschen schwer. Denn erst einmal gehen von den langsam verlaufenden Prozessen keine unmittelbaren oder individuellen Gefahren aus. Allerdings nur scheinbar. Schon jetzt können wir oft regional begrenzte Ereignisse mit vielen Toten und enormem Leid feststellen, die sich auf Umweltzerstörungen zurückführen lassen. Stattdessen werden diese Ereignisse „natürlichen Ursachen“ zugeschrieben. Wir waschen unsere Hände in Unschuld und machen weiter wie bisher.
Hintergrund für dieses, dem Menschen eigene Verhaltensmuster ist offensichtlich der Irrglaube, dass er zu 100 Prozent dominant gegenüber der natürlichen Umwelt sei. Dabei ist eine komplette Beherrschung der Natur wahrscheinlich nicht möglich (siehe Corona-Virus). Es ist dringender als je zuvor, dass die Menschheit die Einsicht in einen hohen Grad von ökologischer Abhängigkeit gewinnt. Wir müssen lernen, die Welt mit anderen Organismen und Lebensgemeinschaften zu teilen, anstatt anthropozentrisch jeden Quadratmeter als mögliche Quelle für Nahrung, Wachstum und Wohlstand zu sehen oder ihn in etwas nicht-natürliches zu verändern. Hiervon haben wir uns weit entfernt!
In den Tagen der Corona-Pandemie hängen viele Menschen gebannt an den Lippen von Medizinern, Virologen und anderen Naturwissenschaftlern, hören auf deren Prognosen und Ratschläge, verändern ihr Verhalten und lassen sich auf Verzicht ein – außer der üblichen Minderheit von Egoisten, Ignoranten oder auch einigen Wendehälsen in hohen Staatsämtern. Es ist ein Gebot der Stunde, in allernächster Zukunft angesichts des Klimawandels und der Zerstörung der natürlichen Umwelt Naturwissenschaftlern wie Biologen, Ökologen, Geographen und auch Soziologen ebenso starke Aufmerksamkeit zu schenken und deren Erkenntnisse und Empfehlungen konsequent zu diskutieren und umzusetzen – viele liegen seit über 100 Jahren liegen auf dem Tisch.